» Mo 18. Jan 2016, 17:51
Ich möchte zwei Anmerkungen loswerden:
1. Anmerkung:
Zu den üblichen Schemata-Angeboten gibt es teilweise berechtigte Kritik. Schauen Sie in dem zitierten Werk von Lutz/Willers doch bitte einmal, was bei 823 I unter Handlung steht. Sinngemäß findet sich:
Handlung oder Unterlassen
a) Garantenstellung
b) Pflicht zum Handeln
In T@keLaw steht:
Handlung
a) Handlung
oder
b) Unterlassen
aa) Garantenstellung
und
bb) Pflicht zu Handeln
Ich habe das Beispiel nur aus der Erinnerung zitiert aber in etwa stimmt es. Weder die Hierarchie der Voraussetzungen noch die Logik ist in den Anleitungsbüchern teilweise überhaupt abgebildet. Oft ist es eine Art Stichwortsammlung.
In dem angekündigten WuV-Kurs werden wir vorsehen, einen Pool von TakeLaw-Strukturen zu bestücken und es allen Studierenden zu ermöglichen, von dort aus auch zu entnehmen und ggf. für sich selbst zu anzupassen oder zu verändern. Es soll damit ein offenes System geschaffen werden. Denn z.B. alle Definitionen können auf diese Weise verkürzt und vor allem logisch korrekt dargestellt werden. Von der Struktur gibt es dann einen Export in die persönliche Memorize-Funktion. So können viele Studierende arbeitsteilig aktiv werden und vorhandene Strukturvorschläge aufnehmen und auch verbessern. Wenn man möchte, kann man solche Strukturen dann auch auswendig lernen.
2. Anmerkung
Die Frage, ob etwas auswendig gelernt werden soll oder nicht, stellt sich für die unterschiedlichen Lerntypen unterschiedlich dar.
a) Die objektiv ineffektivste Methode besteht darin, gar nichts zu lernen und sich die Informationen stets aus den verfügbaren Gesetzen / Lehrbüchern / Kommentaren / Mitschriften immer neu zusammenzustellen. Für wenige Studierende ist das dennoch der Königsweg. Das betrifft nach meiner Erfahrung etwa 5% der Studierenden.
b) Eine sinnvolle Mischvariante besteht darin, das Gesetz als Ausgangspunkt zu nehmen und nur die zusätzlichen Voraussetzungen zu lernen. Was sich so attraktiv anhört, hat einen Nachteil: Die Tatbestandsmerkmale, die im Gesetz genannt werden, sind teilweise logisch schwer durchschaubar. Weiterer Nachteil: Teilweise wirken die Vorschriften so komplex zusammen, dass dieses Verfahren etwas undurchsichtig wird. Beispiel WPR2: Die Leistungsstörungen sind so über das Gesetz verteilt, dass ein Überblick auf der Grundlage der Paragraphen schwer fällt. Der Vorteil dieses Mischverfahrens besteht aber darin, immer auch die Nähe zum Gesetz zu pflegen und damit die richtigen Anküpfungspunkte automatisch mit zu trainieren.
c) Die scheinbar unattraktivste Methode besteht darin, sich die Strukturen einzuprägen, weil sie teilweise auf Vollständigkeit entwickelt sind. Dann empfiehlt es sich, nur die ersten Ebenen zu lernen. Der Nachteil dieses Verfahrens besteht darin, konzentriert zu pauken. Das wird mit unintelligentem Lernen gleichgesetzt, das ist aber ein unzutreffendes Vorurteil. Es ist vielmehr sehr intelligent, das erforderliche Gerüst von Fakten so effektiv wie möglich zu lernen und die Lernmenge auf diese Weise zu konzentrieren. Durchschnittlich können pro Tag nicht mehr als 30 Informationseinheiten auf Dauer gelernt werden. Dabei darf eine Lerneinheit nicht mehr als 20 Minuten umfassen und höchstens 3 Lerneinheiten pro Tag erfolgen. Wer um Durchschnitt täglich 20 Minuten lernt, bricht unter dieser Last nicht zusammen und darf mit einem Ertrag von etwa 20 Strukturelementen pro Tag rechnen. Der Rest der Anstrengung sollte in Übungen der Anwendung des Wissens fließen, dazu wird der WuV-Kurs viele Möglichkeiten bieten.
Der große Unterschied in den genannten drei Verfahren ist nicht nur die Effizienz des Zeiteinsatzes, sondern auch die Möglichkeit der Protokollierung des persönlichen Gesamtwissens. Im Verfahren a) kann keine Unterstützung erfolgen, im Verfahren b) teilweise und nur im Verfahren c) vollumfänglich. Das zahlt sich dann aus, wenn die ansteigende Gesamtmenge des Erlernten dazu führt, immer mehr Zeit auf die Wiederholung von Inhalten zu verwenden, um festzustellen, ob dieses Wissen noch "sitzt". Der Anteil des Neuen wird kontinuierlich immer geringer. Schließlich wird die gesamte Lernenergie dafür eingesetzt, die Wiederholungen durchzuführen und neues Wissen wird immer spärlicher. Am Ende hat der Prüfungskandidat auch keine präzise Übersicht, wo Schwachstellen sind und wo nicht. Hier ist die Methode c) die Grundlage, um viele Kenntnisse auf Dauer zu festigen. Am schwerwiegendsten ist aber der Effekt, dass bei der Wiederholung nicht zielgerichtet vorgegangen werden kann, weil unbekannt ist, was sicher gewusst wird und was nicht. Die Unterstützung in Verfahren c) löst dieses Problem, dass Wiederholungen immer zielgerichtet und damit zeitsparend erfolgen können.
Merke: Lernzeit ist ein knappes Gut. Echtes "Lernen" beschränkt sich (s.o.) auf effektiv 20 min. / Tag, wenn sehr intensiv gearbeitet wird mit vollem Zeiteinsatz bis zu 3 x 20 min/ Tag.
Die einzige Gegenüberlegung besteht darin, es sei nicht erforderlich, etwas zu lernen. Es reiche aus, sich mit dem Gegenstand des Studiums zu beschäftigen. Hier habe ich deutliche Zweifel, obwohl es sich so verlockend anhört, mit Genie könne man die Anstrengung des Lernens abschütteln. Ein Studium ohne Lernanforderungen halte ich für eine Illussion und würde eher dazu raten, die Lernvorgänge effizient zu gestalten. Warnen möchte ich vor dem Spruch: "Wer schlau ist, braucht nichts zu lernen". Manche kokettieren geradezu damit, sie bräuchten nichts zu lernen. Das trifft in der Praxis nur für ganz wenige Ausnahmetalente zu. Aber auch diese Kandidaten können auf Anfrage Fakten wiedergeben. Sie verwenden nur eine andere Methode, um dieses Ergebnis herzustellen. Mein Ratschlag: Lernen ja, aber dann mit kontrolliertem Zeiteinsatz und möglichst effizient und nachhaltig.
Schließlich zum Umfang der Strukturen: Die Informationsmenge verändert sich nicht in Abhängigkeit des Darstellungsmittels. Wer anstelle einer 5-seitigen T@keLaw-Struktur ein 300 Seiten Lehrbuch zur Sachmängelhaftung bevorzugt, darf nicht vergessen, dass sich die zu lernende Informationsmenge dadurch nicht verändert.
In Jura stehen die zu lernenden Informationsmengen vor allem im Bereich BGB AT, Schuldrecht AT, Schuldrecht BT und Sachenrecht eigentlich fest. Ob sie über Lehrbücher, Kommentare, Vorlesungen, Übungen, Strukturen oder Schemata vermittelt werden und in den Kopf eindringen und dort festgehalten werden können, ist damit eher eine Frage des Lerntyps als ein objektiver Unterschied im Informationsgehalt.
Mein Ratschlag lautet daher: Finden Sie für sich selbst heraus, womit Sie den besten Ertrag für sich erzielen. Was für Kommilitonen der beste Weg ist, muss für Sie selbst nicht maßgebend sein. Es gibt viele verschiedene Lerntypen und deshalb sind viele verschiedene Angebote nützlich.
Ganz zum Schluss darf ich auf die Phasen des juristischen Workflows verweisen. Die intelligente Phase ist Phase Nr. 2, wenn Wertungen getroffen werden müssen. Hier helfen Lernanstrengungen nur wenig. Das Thema des Lernens betrifft vielmehr die Phase Nr. 1, wenn es darum geht, möglichst schnell und korrekt eine Übersicht über die zu prüfenden Tatbestandsmerkmale aufstellen zu können, um sie anschließend korrekt prüfen zu können. Anpsruchsgrundlagen und deren Tatbestandsvorausetzungen müssen möglichst im Schlaf beherrscht werden. Dazu braucht es nur wenig Intelligenz, sondern einfach Erinnerungsvermögen. Wie diese Erinnerung gesetzt wird, ist wiederum die aufgeworfene Frage des Lernverfahrens, welches zum Lerntyp passen sollte. Soweit meine Erfahrung aus 17 Jahren Lehrtätigkeit.
Mit den besten Grüßen,
Prof. Dr. Tony Möller
gez. Prof. Dr. iur. Tony Möller
- Studiengangsleiter -