» Mi 29. Apr 2015, 06:48
T@keLaw bildet die juristische Methode ab. Nicht mehr und nicht weniger. Es ist daher die juristische Denkschule, die die beschriebenen Anforderungen setzt, genau hinzuschauen und sehr aufmerksam zu bedenken, welche Folgen aus Entscheidungen (oder Mausklicks) erwachsen. Das ist genau die Metamorphose, die in den ersten Semestern dieses Studiums durchlaufen werden sollte: Eigentlich scheint alles verständlich zu sein, aber das genaue Hinschauen bzw. Durchdenken öffnet den Blick auf Problemstellungen, die erst nach und nach sichtbar werden. So sind viele Beispielsfälle - u.a. auch diejenigen aus dem Bereich der Online-Klausuren - erst nach gehörigem Nachdenken durchschaubar und erwecken auf den ersten Blick den unzutreffenden Anschein, als ob die Lösung auf der Hand läge. Die eigentliche Leistung besteht deshalb darin, nicht dem ersten Lösungsgedanken zu folgen, sondern weiterzudenken und verschiedene Lösungsansätze zuzulassen und vergleichend zu betrachten, bevor die abschließende Entscheidung fällt.
Abhängig davon, mit welchen Erfahrungen die Teilnehmer dieses Studium aufnehmen, fällt es leichter oder schwerer, diese Metamorphose zu durchlaufen. Studierende, die bereits über ausgeprägte Berufserfahrung verfügen, müssen sich erst daran gewöhnen, dass Denkweisen gefragt sind, die in der bisherigen Ausbildung / Berufserfahrung womöglich keine oder nur eine geringe Rolle spielten. Weil eine erfolgreiche berufliche Erfahrung die Einschätzung unterstützen kann, die neuen Anforderungen können mit bisherigen - und bewährten Denkmethoden - bewältigt werden, kann es schwierig sein, gewohnte Denkmuster zu verlassen und sich auf neue Denkschulen einzulassen. Studierenden, die beruflich noch nicht etabliert sind, kann es u.U. einfacher fallen, sich in einer neuen (Denk-)Welt einzufinden. Diese Offenheit erleichtert den Erfolg in der juristischen Ausbildung ungemein. Der Trick in der Ausbildung zu Juristen besteht darin, dass juristische Lösungen mit einem anderen Denkansatz gefunden werden, als es im Alltag oder in anderen Berufswelten üblich ist.
Darum Respekt vor der Leistung, vorhandene Denkmuster beiseite schieben zu können und Platz zu machen für neue Ansätze. Wo noch keine Denkmuster etabliert sind, kann es viel leichter sein.
Im normalen Präsenzunterricht ist das Instrument der Vermittlung etwas einfühlsamer möglich, wenn sich Teilnehmer in diesem Metamorphoseprozess befinden und der Dozent oder die Dozentin zufällig einen guten Tag hat. T@keLaw dagegen reagiert völlig unerbittlich, wenn die Stellschrauben entsprechend hart angezogen wurden, wie das bei den Online-Klausuren der Fall ist. Die vorangestellten Nachrichten sind aber ein Musterbeispiel dafür, wie eine Kehrtwende in der Denkschule erfolgen kann: Zugegeben nicht immer ein angenehmer Weg. Deshalb mein ausdrücklicher Respekt dafür, nicht aufzugeben, Mißerfolge wegzustecken und es noch einmal zu versuchen. Außenstehende, die nicht studieren, können oft nicht nachvollziehen, warum ein Studium auch eine quälende Arbeit bedeuten kann. Alle, die studiert haben, dagegen schon. Ein reines Vergnügen ist ein juristisches Studium nicht, weil es verlangt, Zweifel an der richtigen Entscheidung nicht dadurch zu überwinden, die Zweifel durch die Wahl der erstbesten Lösung beseite zu schieben, wie es der Gepflogenheiten am sog. Stammtisch entspricht, sondern die Zweifel komplett zu durchdenken (ohne zu verzweifeln). Jura ist Denksport.
gez. Prof. Dr. iur. Tony Möller
- Studiengangsleiter -