» Mi 25. Jun 2014, 06:06
Es liegt kein Fehler vor. Sie gehen nur von der unrichtigen Annahme aus, dass das System nur eine Lösung vorhält. Sie haben eine Lösung eingegeben, die als eine von mehreren möglichen Lösungen erkannt wurde. Diese Lösung wurde als vertretbar, aber als nicht besser als 3,0 von mir eingestuft. So kommt es dazu, dass Sie zwar keine Abweichung von der "Musterlösung" erkennen können, es handelt sich aber nicht um die denkbar beste Lösung. Hier besteht systemseitig der Fehler, dies nicht verständlich mitzuteilen, sondern es entsteht der Irrtum, die Note sei falsch. Tatsächlich beruht die Benotung auf einem sog. multiplen Lösungsraum, in welchem viele verschiedene "richtige" (also akzeptable) Lösungen vorhanden sind, die in ihrer Qualität aber dennoch unterschiedlich bewertet werden. Die von Ihnen eingereichte Lösung kann also - selbst wenn ansonsten keine Fehler vorliegen - bestenfalls mit "befriedigend" bewertet werden.
Wählen Sie die Form des Hilfsgutachtens und prüfen Sie in diesem Fall weiter, ist der Weg zu einer besseren Note eröffnet. Dann wird auch eine andere Musterlösung aufgerufen.
Ein Ratschlag am Rande: Vergessen Sie Ihre bisherigen Erfahrungen, die für Aufgabenstellungen immer nur eine richtige Lösung vorhalten. In Lehrbüchern wird zwar der (falsche) Eindruck erweckt, zu jeder Fallfrage gäbe es die eine, nämlich die im Lehrbuch angesprochene "richtige" Lösung. Wenn das so wäre, wie erklären Sie sich dann abweichende und sich teilweise widersprechende Rechtsprechung? Liegen jeweils juristische Fehlleistungen vor? Das ist nicht so, vielmehr ist Rechtswissenschaft dialektisch angelegt, und weicht damit vom üblichen Bildungsinhalten (zuvorderst Schulunterricht) ab. Dialektische Lösungen zeichnen sich dadurch aus, unterschiedliche Sichtweisen akzeptieren zu können. Dann wäre es aber notwendig, unterschiedlich auf unterschiedliche Lösungsvorschläge reagieren zu können und dabei den Bezugspunkt der Beurteilung wechseln zu können. In der Ausbildung finden wird solche Ansätze bedauerlicherweise höchst selten. Genau hier setzt die Methode von T@keLaw an:
Wir können ein dynamisches System vorhalten, welches unterschiedlich reagieren kann. Die Rechtswissenschaft ist im wirklichen Leben ebenfalls dadurch gekennzeichnet, dass unterschiedliche Beurteiler zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen können, was aber nicht bedeuten muss, dass die Vertreter der Auffassungen, die sich im Endeffekt nicht durchsetzen, notwendigerweise "falsch" liegen. Sie liegen im Rahmen ihrer Überlegungen durchaus "richtig", nur nicht so erfolgreich. Bitte denken Sie an Verfassungsrichter, die sich unter den 8 Richtern mit Ihrem Votum an Ende nicht durchsetzen können. Sie unterliegen mit ihrem Lösungsvorschlag in der finalen Abstimmung der Richter, legen aber ganz sicher auch vertretbare Urteilsentscheidungen vor.
Diese dynamische Entscheidungssituation können wir mit T@keLaw erstaunlicherweise modellieren (das hat aber auch 20 Jahre gedauert). Der Haken besteht nur darin, dass die Teilnehmer gar nicht damit rechnen, dass dies möglich sei. Deshalb gehen Sie von einem Fehler aus. Meine Erkenntnis besteht darin, dass wir Mühe darauf verwenden müssen, die Kommunikation zu verbessern. Bis dahin versuchen Sie doch, in dem genannten Übungsfall eine 1,0 zu erzielen. Es wird möglich sein. Sie werden überrascht sein, wie schlau die Bewertung reagiert. Die Übung ist übrigens darauf ausgelegt, dass Sie über diesen Umstand stolpern, dass Sie eigentlich alles richtig gemacht haben, aber es offenbar (weil nur 3,0) einen noch besseren Lösungsweg geben muss. Darüber kommen Sie zur Erkenntnis, dass ein Hilfsgutachten manchmal sinnvoll sein kann. Im folgenden würden Sie sich mit dem Hilfsgutachten auseinandersetzen. Am Ende haben Sie eine wichtige methodische Erweiterung "entdeckt" und nicht einfach nur vorgesetzt bekommen. Der Erkenntnisgewinn von "Entdecken" ist ungleich höher als jede andere Form der Wissensaneignung. Daher sind die Übungen so angelegt, dass es zu einem Wechsel zwischen maßvoller Frustration und Erfolgserlebnis kommt.
Mein Tipp daher:
Entdecken Sie Ihre Entdeckerfreude - auch als Neugier bezeichnet - neu, die Ihnen im Laufe Ihrer Bildungskarriere im schlechtesten Fall aberzogen wurde. Genau das ist aber der Treibstoff, der zu brillanten Lösungen führen kann. Denken Sie Wege, die eigentlich nicht möglich erscheinen. Brechen Sie dabei Regeln, die in Wahrheit relativiert werden müssen (z.B. das Hilfsgutachten). Suchen Sie auch dann noch nach Lösungen, wenn die Entscheidung bereits als gefallen erscheint. Wenn Sie daran Freude entwickeln können, dann sind Sie in der Rechtswissenschaft richtig angekommen. Sie würden von Ihrem Anwalt schließlich auch erwarten, dass auch dann noch Lösungen gesucht werden, wenn die Chancen schlecht stehen. Schießen Sie das Tor auch noch in der Nachspielzeit. Geben Sie als Juristen niemals auf, weiter nachzudenken. Der Fall 5 (Fallobst) ist so angelegt.
("Finde den Schatz" !)
gez. Prof. Dr. iur. Tony Möller
- Studiengangsleiter -