Prüfungspunkte der TakeLaw-Struktur grau hinterlegt

"Wie funktioniert .... ?"

» Do 21. Nov 2013, 16:26

]Liebe Community,

bestimmt gab es dieses Thema schon einmal, ich hab leider diesbezüglich nichts finden können.
Bin gerade dabei mich mit Wirtschaftsprivatrecht 1 auseinanderzusetzen.
In der Struktur gibt es einzelne Punkte, die hellgrau hinterlegt sind - irgendwo und irgendwann (die Sicherheit in diese Quelle ist also nicht vertrauenswürdig) glaube ich gelesen zu haben, dass diese Punkte dann vorerst keine Rolle spielen würden für das aktuelle Wissen und das betreffende Modul...und somit vorerst vernachlässigt werden könnten.
Nun möchte ich mich aber darauf nun nicht einfach so verlassen, zudem ich auch ein paar Gutachten meiner Kommilitonen lesen konnte, in diesen auf die hellgrau hinterlegten Merkmale im Gutachten sehr wohl eingegangen worden ist. Ich habe anbei auch die Struktur mal hochgeladen und kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass bspw. auf die falsa demonstatia non nocet oder den Handlungswillen nicht eingegangen werden müsste.
Wozu gibt es die farblichen Unterschiede?
Welche Punkte der vorgefertigten Struktur muss ich im Gutachten nun miteinbeziehen - alle Punkte der Struktur oder nur die dunkelgrauen?
Können die hellgrauen wirklich vernachlässigt werden?

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Besten Dank schon mal an alle Helfer im Voraus

Carola
Carola
 
Beiträge: 28

» Fr 22. Nov 2013, 10:50

Diese farbliche Unterscheidung modelliert die Normalfalltheorie von Haft. Dieser Rechtswissenschaftler hat in den 80er Jahren durch seine Projekte im Bereich der Rechtslogik erkannt, dass zwar Menschen zwischen "immer wichtig" und "nur manchmal wichtig" unterscheiden, die Logik kennt solche Kennzeichnungen aber nicht. Gerade diese Unterscheidung erlaubt es uns aber, Prüfungsstrukturen übersichtlich zu halten. Haft hat seinerzeit die Normalfalltheorie postuliert. Sie lautet kurzgefasst: Im Normalfall sind bestimmte Tatbestandsvoraussetzungen immer relevant. Auf sie muss deshalb eigentlich auch immer eingegangen werden. Im Sonderfall müssen jedoch auch Voraussetzungen berücksichtigt werden, die im Normalfall irrelevant sind. So ist bei einem Vertragsschluss zwischen A und B über den Kauf eines Autos im Normalfall nicht zu prüfen, ob A oder B wegen Minderjährigkeit nicht geschäftsfähig sind. Im Sonderfall kann das aber durchaus eine entscheidende Rolle spielen, wenn der Sachverhalt Anlass zu solchen Überlegungen bietet.

Haft hat damit formal etwas herausgestellt, was wir unbewusst immer tun: Wir differenzieren Informationen nach ihrer aktuellen Relevanz. Das ist aber eine situative und damit dynamische Entscheidung. Die Erklärmodelle in der Lehre sind aber so gut wie nie dynamisch, sondern statisch angelegt.

In den Rechtsstrukturen von T@keLaw bilden wir das dynamische Modell ab. Die grau gefärbten Einträge sind Sonderfälle, die nur in bestimmten Sachverhalten relevant werden. Sie sind aber trotzdem und stets vorhanden. Darum werden sie dargestellt, in der Schlussfolgerungslogik von T@keLaw aber nicht berücksichtigt, solange sie grau gefärbt sind (in der neuen Auflage von GdR wird das ganz genau erklärt - kommt noch in diesem Jahr heraus und wird bei Ihnen automatisch aktualisiert).

Insoweit ist es richtig, dass die Bearbeiter eine Entscheidung treffen müssen: Lasse ich diese grau-gefärbten Voraussetzung so wie sie sind und ignoriere sie, oder "erwecke ich sie zum Leben". Dazu brauchen Sie bloß bewertet zu bewerten (grün/rot) und schon verlieren sie ihren Grau-Status. Sie sind damit in Ihrer Lösung relevant geworden. Möchten Sie sie wieder auf irrelevant setzen, dann schalten Sie dieser Voraussetzung im Steuermodul das Licht aus. Dazu gibt es oben im Steuermodul eine Lampe als Symbol. Sie ist gelb und leuchtet bei relevanten Voraussetzungen und ist weiß und "inaktiv" bei abgegrauten Voraussetzungen. Ein Loslassen der Maus auf diesem Symbol darauf schaltet dieses Verhältnis um.

Die Normalfalltheorie von Haft spiegelt den effizienten Umgang der Juristen mit Tatbestandsvoraussetzungen ganz gut wieder. Nur so können Juristen nämliche eine gigantische Informationsmenge beherrschen. Allerdings ist es dazu notwendig, dass situativ entschieden wird, was relevant ist und was nicht. Die - für den jeweiligen Sachverhalt - irrelevanten Voraussetzungen werden in der Begründung dann gar nicht genannt. Das macht es für Anfänger aber besonders schwer, zu erkennen, woraus der ganze Kuchen besteht, weil ihnen gar nicht klar ist, was alles überhaupt zur Abwägung bereit steht. Der dynamische Umgang mit Informationen ist deshalb ein Segen für diejenigen, die das gesamte juristische Feld überblicken. Diejenigen, die aber erst anfangen, fällt die Orientierung in dynamischen Informationsmengen aber sehr schwer. Für sie wäre eine statische Darstellung viel leichter zu verstehen.

Die Logik kennt keine dynamischen Darstellung. An die Mathematik angelehnt sind die Formeln vollständig oder nicht. Mit der T@keLaw-Darstellung repräsentieren wir zwar die vollständige Information, lassen aber dynamische Veränderungen zu Relevanz einzelner Voraussetzungen zu. Damit ist T@keLaw einerseits streng logisch, andererseits aber auch dynamisch veränderbar.

Die Antwort lautet also: Sie können entweder das Standardmodell an Struktur unverändert so benutzen (grau bleibt grau), können aber entscheiden, gegraute Voraussetzungen "zum Leben" zu erwecken. Das hängt vom Sachverhalt ab.

Aus meiner Sicht ist das ein vollständige Erklärung zu Ihrer Frage. Es kann aber sein, dass nur ich das so sehe, weil ich ziemlich intensiv in diesem Thema stecke, die Studierenden aber noch weitere Frage haben. Diese beantworte ich gerne. Scheuen Sie sich also nicht, weitere Fragen zu stellen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie erkennen können, wie hilfreich die Normalfalltheorie von Haft in der praktischen Anwendung ist.
gez. Prof. Dr. iur. Tony Möller
- Studiengangsleiter -
Prof. Moeller
 
Beiträge: 1168

» Fr 22. Nov 2013, 12:02

Vielen Dank Prof. Moeller,
ich habe Ihre Ausführungen verstanden, ebenso Ihre Argumentation mit der statischen und dynamischen Darstellung. Im ersten Moment wirkt es ein wenig verwirrend mit den Grauabstufungen, wenn man allerdings die Begründung dazu hört und versteht, dann ist es alles sehr einleuchtend und logisch.
In diesem Sinne danke ich Ihne für Ihre Erklärung und dass tatsächlich so viel Hilfestellungen für uns Anfänger in TakeLaw vorzufinden sind.

Die einzige Frage, die sich mir nun aber noch stellt ist folgende:
die vertraglichen Erfüllungsansprüche verhalten sich in einer UND-Struktur zueinander - Wirksamer Vertrag, Berechtigung Dritter, Verpflichtung Dritter usw.
Wenn ich bspw. Berechtigung Dritter eben nicht von TakeLaw berücksichtigen lasse, da ich es in den Hintergrund stelle bzw. "das Licht ausknipse" - dann klingt das für mich nicht machbar, da es sich ja um eine UND-Struktur handelt, die ich doch nicht unberücksichtigt lassen dürfte...???
Oder handelt es sich hierbei um weitere, andere Paragraphen, die ich eben nur in diesen Sonderfällen dann zu Rande ziehen müsste? (Ich bin noch ganz am Anfang von WPR - daher die Unwissenheit)


Besten Dank,
Gruß Carola
Carola
 
Beiträge: 28

» Fr 22. Nov 2013, 12:28

Sie haben den Finger auf den erstaunlichen Punkt gelegt: Wie kann etwas als UND-Bedingung notwendig sein und dennoch ignoriert werden können?

Die Antwort des dynamischen Modells lautet: Die inaktivierten "abgegrauten" Voraussetzungen gibt es in diesem Moment scheinbar gar nicht und werden deshalb von der Logik auch nicht berücksichtigt. Sie werden sehen, wenn Sie dies im Bereich practice ausprobieren, dass die Grünschaltung auf der oberen Ebene funktioniert, obwohl die abgegrauten Voraussetzungen nicht, sondern nur die übrigen "aktiven" Voraussetzungen bewertet wurden. Hier haben wir mit der T@keLaw-Methode direkt in die Logikfunktion eingegriffen und sie verändert mit der Folge: Die Logik ignoriert abgegraute Voraussetzungen. Gleichzeitig stellen wir sie aber dar und geben den Anwendern Gelegenheit, den Grau-Status zu verändern, wenn das gewollt ist.

Am Ende ist es so, das T@keLaw dynamisch reagiert und abhängig von der Entscheidung des Benutzers die Logik-Verarbeitung beeinflusst. Damit können wir nachbilden, wie Juristen dynamisch Begründungen aufstellen. Gleichzeitig bleibt aber sichtbar, welche anderen Möglichkeiten (Sonderfälle) bestehen. Wenn Sie also der Meinung sind, auf sog. Sonderfälle an Voraussetzungen eingehen zu wollen, dann können Sie das tun. Sie können auch nach Belieben Voraussetzungen inaktivieren, wenn Sie sie für irrelevant halten. Die Struktur bildet als Ausgangsbild ab, welche Einteilungen die Dozenten für die Abgrenzung Normalfall / Sonderfall halten. Daran sind Sie nicht gebunden.

Wenn Sie also keine Veranlassung sehen, im konkreten Sachverhalt die Berechtigung Dritter zu prüfen, dann bleibt dieser Punkt inaktiviert bzw. Sie können ihn inaktivieren.
gez. Prof. Dr. iur. Tony Möller
- Studiengangsleiter -
Prof. Moeller
 
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