» Fr 22. Nov 2013, 10:50
Diese farbliche Unterscheidung modelliert die Normalfalltheorie von Haft. Dieser Rechtswissenschaftler hat in den 80er Jahren durch seine Projekte im Bereich der Rechtslogik erkannt, dass zwar Menschen zwischen "immer wichtig" und "nur manchmal wichtig" unterscheiden, die Logik kennt solche Kennzeichnungen aber nicht. Gerade diese Unterscheidung erlaubt es uns aber, Prüfungsstrukturen übersichtlich zu halten. Haft hat seinerzeit die Normalfalltheorie postuliert. Sie lautet kurzgefasst: Im Normalfall sind bestimmte Tatbestandsvoraussetzungen immer relevant. Auf sie muss deshalb eigentlich auch immer eingegangen werden. Im Sonderfall müssen jedoch auch Voraussetzungen berücksichtigt werden, die im Normalfall irrelevant sind. So ist bei einem Vertragsschluss zwischen A und B über den Kauf eines Autos im Normalfall nicht zu prüfen, ob A oder B wegen Minderjährigkeit nicht geschäftsfähig sind. Im Sonderfall kann das aber durchaus eine entscheidende Rolle spielen, wenn der Sachverhalt Anlass zu solchen Überlegungen bietet.
Haft hat damit formal etwas herausgestellt, was wir unbewusst immer tun: Wir differenzieren Informationen nach ihrer aktuellen Relevanz. Das ist aber eine situative und damit dynamische Entscheidung. Die Erklärmodelle in der Lehre sind aber so gut wie nie dynamisch, sondern statisch angelegt.
In den Rechtsstrukturen von T@keLaw bilden wir das dynamische Modell ab. Die grau gefärbten Einträge sind Sonderfälle, die nur in bestimmten Sachverhalten relevant werden. Sie sind aber trotzdem und stets vorhanden. Darum werden sie dargestellt, in der Schlussfolgerungslogik von T@keLaw aber nicht berücksichtigt, solange sie grau gefärbt sind (in der neuen Auflage von GdR wird das ganz genau erklärt - kommt noch in diesem Jahr heraus und wird bei Ihnen automatisch aktualisiert).
Insoweit ist es richtig, dass die Bearbeiter eine Entscheidung treffen müssen: Lasse ich diese grau-gefärbten Voraussetzung so wie sie sind und ignoriere sie, oder "erwecke ich sie zum Leben". Dazu brauchen Sie bloß bewertet zu bewerten (grün/rot) und schon verlieren sie ihren Grau-Status. Sie sind damit in Ihrer Lösung relevant geworden. Möchten Sie sie wieder auf irrelevant setzen, dann schalten Sie dieser Voraussetzung im Steuermodul das Licht aus. Dazu gibt es oben im Steuermodul eine Lampe als Symbol. Sie ist gelb und leuchtet bei relevanten Voraussetzungen und ist weiß und "inaktiv" bei abgegrauten Voraussetzungen. Ein Loslassen der Maus auf diesem Symbol darauf schaltet dieses Verhältnis um.
Die Normalfalltheorie von Haft spiegelt den effizienten Umgang der Juristen mit Tatbestandsvoraussetzungen ganz gut wieder. Nur so können Juristen nämliche eine gigantische Informationsmenge beherrschen. Allerdings ist es dazu notwendig, dass situativ entschieden wird, was relevant ist und was nicht. Die - für den jeweiligen Sachverhalt - irrelevanten Voraussetzungen werden in der Begründung dann gar nicht genannt. Das macht es für Anfänger aber besonders schwer, zu erkennen, woraus der ganze Kuchen besteht, weil ihnen gar nicht klar ist, was alles überhaupt zur Abwägung bereit steht. Der dynamische Umgang mit Informationen ist deshalb ein Segen für diejenigen, die das gesamte juristische Feld überblicken. Diejenigen, die aber erst anfangen, fällt die Orientierung in dynamischen Informationsmengen aber sehr schwer. Für sie wäre eine statische Darstellung viel leichter zu verstehen.
Die Logik kennt keine dynamischen Darstellung. An die Mathematik angelehnt sind die Formeln vollständig oder nicht. Mit der T@keLaw-Darstellung repräsentieren wir zwar die vollständige Information, lassen aber dynamische Veränderungen zu Relevanz einzelner Voraussetzungen zu. Damit ist T@keLaw einerseits streng logisch, andererseits aber auch dynamisch veränderbar.
Die Antwort lautet also: Sie können entweder das Standardmodell an Struktur unverändert so benutzen (grau bleibt grau), können aber entscheiden, gegraute Voraussetzungen "zum Leben" zu erwecken. Das hängt vom Sachverhalt ab.
Aus meiner Sicht ist das ein vollständige Erklärung zu Ihrer Frage. Es kann aber sein, dass nur ich das so sehe, weil ich ziemlich intensiv in diesem Thema stecke, die Studierenden aber noch weitere Frage haben. Diese beantworte ich gerne. Scheuen Sie sich also nicht, weitere Fragen zu stellen. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie erkennen können, wie hilfreich die Normalfalltheorie von Haft in der praktischen Anwendung ist.
gez. Prof. Dr. iur. Tony Möller
- Studiengangsleiter -